Versorgungsengpass, Single Sourcing und unternehmerische Entscheidungen

Kritische Abhängigkeiten gehören zu den ganz wesentlichen strategischen Risiken, die bei jeder Risikoanalyse besonders betrachtet werden. Die Lieferkettenprobleme und die kritische Abhängigkeit von russischem Gas, die durch den Ukraine-Krieg offenkundig wurde, zeigen bestehende kritische Abhängigkeiten, die oft durch bewusste „Single Sourcing-Entscheidungen“ entstanden sind. Der deutsche Staat und viele Unternehmen haben in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, bei denen Beschaffungskosten, nicht aber die mit der zunehmenden Abhängigkeit verbundenen Risiken, betrachtet wurden. In vielen Fällen ist dies als weiteres Indiz für die verbreitete Risikoblindheit und die ausgeprägten Schwächen im Risikomanagement zu interpretieren. Politische Entscheidungen und auch unternehmerische Entscheidungen erfordern eine systematische Vorbereitung, insbesondere eine entscheidungsvorbereitende Risikoanalyse. Die unternehmerischen Entscheidungen für ein Single Sourcing unterliegen den Anforderungen der Business Judgement Rule (§93 AktG). Ohne eine quantitative Risikoanalyse und ein Abwägen von erwarteten Kosteneinsparungen gegenüber dem erhöhten Risikoumfang wird die gesetzliche Sorgfaltspflichtanforderung nicht erfüllt.

Es bleibt zu hoffen, dass die aktuellen Erfahrungen demonstrieren, wie wichtig eine sachgerechte Betrachtung von Risiken jeder unternehmerischen Tätigkeit tatsächlich ist. Risikomanagement ist eine Kernaufgabe der Unternehmensführung.

Zuletzt 2020 haben mein Kollege Frank Romeike und ich in einem Beitrag auf Risikoblindheit bei Single Sourcing-Entscheidungen und die hier bestehenden persönlichen Haftungsrisiken für die involvierten Geschäftsleiter verwiesen. Der Text ist hier verfügbar:

Gleißner, W./Romeike, F. (2020): Corona-Krise und Single Sourcing, https://www.risknet.de/themen/risknews/corona-krise-und-single-sourcing/.

von Werner Gleißner

06. April 2022

Krisen, überall! Und wer hat die Risiken beachtet?

Die Finanzkrise 2008, die Corona-Pandemie ab 2020 und nun der Ukraine-Krieg mit seinen wirtschaftlichen Folgen zeigen es deutlich: jede unternehmerische Tätigkeit ist mit Risiken verbunden. Und gerade die Risiken aus dem geopolitischen Umfeld sollten nicht ignoriert werden, da sie oft zu schweren Wirtschaftskrisen führen.

Studien zeigen aber auch, dass in den meisten Unternehmen Chancen und Gefahren (Risiken), die zu Planabweichungen führen können, zu wenig beachtet werden. Insbesondere werden an sich bekannte Risiken aus dem Umfeld, wie Pandemie, geopolitische Risiken oder eine drohende Zinskrise ignoriert. Auch bei unternehmerischen Entscheidungen werden Risiken ignoriert, was die oft auf Single-Sourcing-Entscheidungen zurückführbaren akuten Lieferketten-Probleme zumindest mit erklärt. Es hilft offensichtlich wenig sich erst mit Risiken zu beschäftigen, wenn sie bereits eingetreten sind. Zu empfehlen ist eine systematisch Risikoanalyse, die insbesondere auch volkswirtschaftliche „Extremrisiken“, die zu Krisen führen können, mit betrachtet. Dies ist ökonomisch sinnvoll und seit 01.01.2021 durch §1 StaRUG auch bei mittelständischen Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben („Die News“, https://dienews.net/artikel/haftungsrisiken-minimieren/).

Gefordert wird die Früherkennung möglicher „bestandsgefährdender Entwicklungen“ und bei Bedarf die Initiierung „geeigneter Gegenmaßnahmen“ zur Risiko- und Krisenbewältigung. Solche bestandsgefährdenden Entwicklungen sind meist das Resultat von Kombinationseffekten mehrerer Einzelrisiken, was eine Identifikation, Quantifizierung und Aggregation von Risiken erfordert. Die schnelle Veränderung des politischen und ökonomischen Umfelds seit Anfang 2022 lässt es ratsam erscheinen, eine bestehende Risikoanalyse, speziell die Risikoquantifizierung, zu aktualisieren und dabei systematisch volkswirtschaftliche und geopolitische Risiken näher zu betrachten.

von Werner Gleißner

31. März 2022

Publikationen

Aktuelle Publikationen

Risikomanagement im Mittelstand
RKW Verlag Eschborn 2004
Gleißner, Werner / Lienhard, Herbert / Ströder, Dirk (Hrsg.)
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Einfach Lernen! Risikomanagement (2. Auflage)
2016
Gleißner, Werner / Berger, Thomas
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Prüfung und Weiterentwicklung von Risikomanagementsystemen
Springer Fachmedien Verlag Wiesbaden 2019
Gleißner, Werner / Sassen, Remmer / Behrmann, Martin
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ICV Leitfaden: Entscheidungsvorlagen für die Unternehmensführung. Leitfaden für die Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen (Business Judgement Rule)
Haufe Lexware 2021
Gleißner, Werner / Berger, Thomas / Feldmeier, Markus / Flath, Tobias / Günther, Thomas / Huber, Ralf A. / Kottbauer, Markus / Rieg, Robert / Schäffer, Utz / Steinke, Karl-Heinz / Vanini, Ute / Wolfrum, Marco
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FutureValue – 12 Module für eine strategische wertorientierte Unternehmensführung
Gabler, Verlag 2004
Gleißner, Werner
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Risikomanagement und Controlling, 2. Auflage
Haufe Lexware, München 2017
Gleißner, Werner / Klein, A.
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Leitfaden Rating, Basel II: Rating-Strategien für den Mittelstand, 2. Auflage mit CD-ROM
Vahlen Verlag, München 2003
Gleißner, Werner / Füser, Karsten
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Wertorientierte Unternehmensführung, Strategie und Risiko
2019
Gleißner, Werner
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Wertorientiertes Risikomanagement für Industrie und Handel
Gabler Verlag 2004
Gleißner, Werner / Meier, Günter
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Notwendigkeit, Charakteristika und Wirksamkeit der Heuristischen Geldpolitik, 2. Auflage
Schäffer-Poeschel-Verlag 1999
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Rating Software – Welche Produkte nutzen wem ?
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Das zukunftsfähige Familienunternehmen – Mit dem QScore zu Unabhängigkeit, Resilienz und Robustheit
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Kursbuch Unternehmenserfolg, 2. Auflage
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Gleißner, Werner / Weissman, Arnold
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Gleißner, Werner / Wolfrum, Marco
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Grundlagen des Risikomanagements – Handbuch für ein Management unter Unsicherheit
Vahlen 2022
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Rating-Lexikon
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Private Equity – Beurteilungs- und Bewertungsverfahren von Kapitalbeteiligungsgesellschaften
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