Kritische Abhängigkeiten gehören zu den ganz wesentlichen strategischen Risiken, die bei jeder Risikoanalyse besonders betrachtet werden. Die Lieferkettenprobleme und die kritische Abhängigkeit von russischem Gas, die durch den Ukraine-Krieg offenkundig wurde, zeigen bestehende kritische Abhängigkeiten, die oft durch bewusste „Single Sourcing-Entscheidungen“ entstanden sind. Der deutsche Staat und viele Unternehmen haben in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, bei denen Beschaffungskosten, nicht aber die mit der zunehmenden Abhängigkeit verbundenen Risiken, betrachtet wurden. In vielen Fällen ist dies als weiteres Indiz für die verbreitete Risikoblindheit und die ausgeprägten Schwächen im Risikomanagement zu interpretieren. Politische Entscheidungen und auch unternehmerische Entscheidungen erfordern eine systematische Vorbereitung, insbesondere eine entscheidungsvorbereitende Risikoanalyse. Die unternehmerischen Entscheidungen für ein Single Sourcing unterliegen den Anforderungen der Business Judgement Rule (§93 AktG). Ohne eine quantitative Risikoanalyse und ein Abwägen von erwarteten Kosteneinsparungen gegenüber dem erhöhten Risikoumfang wird die gesetzliche Sorgfaltspflichtanforderung nicht erfüllt.
Es bleibt zu hoffen, dass die aktuellen Erfahrungen demonstrieren, wie wichtig eine sachgerechte Betrachtung von Risiken jeder unternehmerischen Tätigkeit tatsächlich ist. Risikomanagement ist eine Kernaufgabe der Unternehmensführung.
Zuletzt 2020 haben mein Kollege Frank Romeike und ich in einem Beitrag auf Risikoblindheit bei Single Sourcing-Entscheidungen und die hier bestehenden persönlichen Haftungsrisiken für die involvierten Geschäftsleiter verwiesen. Der Text ist hier verfügbar:
Gleißner, W./Romeike, F. (2020): Corona-Krise und Single Sourcing, https://www.risknet.de/themen/risknews/corona-krise-und-single-sourcing/.
von Werner Gleißner
06. April 2022